3.1  Dialog



Eike:

Ich habe es geschafft, Anna. Ich habe es allen bewiesen.

(Anna schweigt) Warum sagst du nichts? Freust du dich nicht auch?


Anna:

(nüchtern)

Ich erkenne dich nicht wieder, Eike.


Eike:

Was meinst du damit?


Anna:

(nüchtern)

Du hast dich verändert. Im letzten Jahr.


Eike:

Ich war immer so. Vielleicht wolltest du mich nicht so sehen.


Anna:

(nüchtern)

So warst du nicht.


Eike:

Ich verstehe. Weil ich ausgezogen bin? Weil ich jetzt eine eigene Wohnung habe? Weil ich keinen Secondhand-Ramsch mehr trage?

Weil ich ein geiles Auto fahre? Weil es mir einfach besser geht?

Meinst du das?


Anna:

Das ist es nicht allein.


Eike:

Was ist es dann?


Anna:

Denk nach.


Eike:

Passe ich nicht mehr in dein elitäres Anforderungsprofil? Du sitzt doch auch gern auf dem Beifahrersitz und lässt dich mit offenem Verdeck durch die Promenade kutschieren! Und unser Trip nach Martinique? Das war deine Idee.


Anna:

Du verstehst mich nicht.


Eike:

Du verstehst mich nicht.


Anna:

Du hast dich verändert.


Eike:

Und wenn schon. Was ist so schlimm an Veränderungen.

Stillstand bedeutet Rückschritt. Stillstand macht depressiv.

Stillstand bedeutet Sterben auf Raten.


Anna:

Raten hast du wirklich genug am Hals.


Eike:

Damit kann ich leben. Sehr gut sogar. Und du lebst auch davon.


Anna:

Du hast dein Abi geschmissen, dein Studium in den Wind geschossen, steckst über beide Ohren in Schulden!

Aber das Schlimmste ist, du hast deine Ideale verraten!


Eike:

Ach, das meinst du! Weil ich kein Akademiker werde? Weil ich auf einen Doktortitel scheiße? Weil ich einen anständigen Beruf erlerne, oder wie du denkst: mir mit ‚minderwertiger’ Arbeit die Hände schmutzig mache? - Bin ich deshalb wertlos in deinen Augen?


Anna:

Was ist aus deinen Zielen geworden? Aus deinen Träumen?


Eike:

Meine Träume? Ich bin gerade dabei, sie mir zu erfüllen.


Anna:

Ich!, ich!, ich! Immer nur ich. Immer nur Eike! Und was ist mit uns?


Eike:

Ich passe nicht mehr zu deinem elitären Jurastudentenklüngel.

(versöhnlich) Komm, wir fahren in den Club.


Anna:

Ich gehe nirgendwo mit dir hin.


Eike:

Was meinst du damit?


Anna:

Geh deinen Weg allein.


Eike:

Ich verstehe dich nicht.


Anna:

Ich weiß.


Eike:

Du hast dich verändert.


Anna:

Ja, ich mich auch. Such dir eine andere bei deinen neuen Freunden.

(Anna ab. Eike begibt sich auf den Weg in den Club Europolis)

SCHULDENFALLE  (2011) 


AUSGEWÄHLTE SZENEN

5.4Dialog



(Schneller Raumwechsel. Wieder zurück in Eikes Bett daheim)



Uschi:

(Uschi erwacht, entdeckt die Briefe)

Eiki, wach auf.


Eike:

(erwacht neben Uschi, singt leise, noch im Halbschlaf)

Ich bin ein Tiger,...


Uschi:

(küsst Eike, hantiert mit den Briefen)

Mensch, du kriegst aber viel Post. Du bist ein gefragter Mann, nicht wahr, Eiki?


Eike:

Ich heiße Eike...


Uschi:

(ignoriert ihn)

Aber warum sind die Briefe alle ungeöffnet?


Eike:

(abwesend)

Ich bin noch nicht dazu gekommen.


Uschi:

(kuschelt sich an Eike)

Verstehe ich. Bist sehr beschäftigt, was?

Guck mal, hier klebt ein Papagei drauf. Süß.


Eike:

Das ist ein Kuckuck.


Uschi:

Was du alles weißt. Sogar Orthographie.


Eike:

Ornithologie. Ich hatte ja auch fast mal Abitur.


Uschi:

Ehrlich? Rufus auch, aber dann hat er gekündigt.


Eike:

Ja klar, Uschi.


Uschi:

Was machen wir heute?


Eike:

Lass uns im Bett bleiben. Mir geht’s nicht gut. Schlecht geträumt. Irgendwas von einem Kuckucksclan... (verkriecht sich im Bett)


Uschi:

(plappert munter drauf los)

Surprise! Ich habe da einen tollen Plan: Zuerst ein Brunch - mit Austern, das sind so kleine Rotzklümpchen mit richtigen Schalen, die magst du bestimmt - im Café Neuropolis, du weißt schon, dieses superschicke Teil, dann gleich gegenüber in die Trendy-Mall eine kleine Shopping-Tour, du da hat so ein schicker neuer Laden aufgemacht, der verkauft ganz, ganz günstig diese klitzekleinen Diademe, die so wahnsinnig gut zu meinem Pelz passen würden, dann, nach dem Lunch bei Bruno Galleone, da gibt’s heute al dente, das soll richtig gut schmecken, ab in den Club Europolis, und dann zeige ich denen meine neuen Glitzerperlchen, dann sollen die mal sehen, was du mir so alles kaufst, Eiki. Bingo?


Eike:

Ich heiße Eike.


Uschi:

Und dann kutschierst du mich mit deinem heißen Schlitten noch über die Promenade, bevor wir dann wieder hier im Bett landen. Wie findest du das?


Eike:

(nachdenklich)

Das mir dem Wagen könnte ein Problem werden.


Uschi:

Komm schon, Eiki.


Eike:

Na gut. Aber nenn mich nicht immer Eiki!


Uschi:

Wieso nicht, klingt wie diese Sportfirma. Sind doch Spitzenprodukte.

Wie du auch eins bist!


Eike:

Meinst du das ehrlich?


Uschi:

Du bist total toll, Eiki!

7.2Dialog


Eike:

Was wollen Sie in meinem Appartement? Verschwinden Sie!


Ali:

Eike, mein Freund: Dieses Appartement gehört auch ein wenig mir.


Eike:

(Ali legt sich zu Eike ins Bett)

Raus aus meinem Bett!


Ali:

Auch das Bett gehört ein wenig mir.


Eike:

Das Bett gehört mir! Was reden Sie da!


Ali:

Ganz liebe Grüße von Lisa Leasing.


Igor:

(mit einem sehr teuren Bild, das von ihm im Nebenraum zertrümmert wurde)

Tschuldigung, das stand aber wirklich blöd im Weg...


Eike:

Ach so. Sie kommen von MoneyCash. Ja, dann ziehen Sie wenigstens die Schuhe aus.


Ali:

(ignoriert Eikes Bitte)

Lisa wartet, Eike.


Eike:

(nervös)

Auf mich?...


Ali:

Auf die erste Rate vom Mai. Auf die zweite vom Juni, und seit gestern auf die dritte...


Eike:

Die Raten sind sehr hoch...


Ali:

Ich weiß Eike, deshalb ist Lisa auch sehr ungeduldig geworden.


Igor:

(abseits)

Und wenn Lisa ungeduldig wird, dann kommen wir.


Eike:

Sie müssen verstehen, ich wollte ja bezahlen. Pünktlich. Aber dann kam diese Wirtschaftskrise, diese allgemeine finanzielle Notlage. Die hat meine Firma, meinen Chef voll getroffen. Und dann auch mich... Ich bin entlassen worden, verstehen Sie?


Ali:

(leise, drohend lächelnd)

Ich verstehe das ganz und gar nicht, Eike.


Eike:

Ich bin arbeitslos, aber das ist nur vorübergehend, sozusagen ein momentaner finanzieller Engpass? Eine unbedeutende pekuniäre Durststrecke. Ich habe da Topaussichten...

(Igor schüttet Wasser in Eikes exqusiten Laptop)

Was macht der da?


Igor:

Der gehörte auch schon ein bisschen mir.


Eike:

Aber der war ganz neu. Und noch nicht abbezahlt.


Ali:

Siehst du Eike, das ist das Problem.


Eike:

(Igor lässt Eikes Rolex fallen, zertritt sie ‚versehentlich’ mit dem Absatz)

Bitte nicht. Nicht die Uhr!


Igor:

Sieh mal Ali, so eine teure Uhr und dann tickt sie gar nicht.


Ali:

Komm Igor, leg dich zu uns. Erzähl uns eine Geschichte. Aus deiner Heimat.

(Igor tut es)

Weißt du, Eike, russische Märchen, das sind die schönsten.


Eike:

Ich möchte jetzt eigentlich keine Märchen hören...


Ali:

Musst du aber...


Igor:

(Eike liegt eingeklemmt zwischen Ali und Igor)

Weißt du, Eike, Russland, Sibirien, Volossow, weit hinter dem Ural. Da bin ich geboren. Weißt du Eike, in Volossow, da ist gar nichts, nur Steppe, kaum Menschen, aber richtige Tiger kannst du dort sehen, die kommen ins Dorf, wenn sie Hunger haben, und zerfleischen die mageren Ziegen. Kann man viel von lernen. In Volossow, da ist gar nichts, kein Telefon, kein Lapptopp, den man abzahlen muss, keine Espressomaschine, nichts, nur Tigerscheiße. Da muss man zusammenhalten, Eike, weißt du, die Familie ist das einzige in Volossow, was zählt, die Familie, - besonders die Mama, ohne Mamutschka geht gar nichts, denn Papa, ach Paputschka, der säuft nur, Wodka, immer Wodka, - stinkt wie Tiger aus dem Maul. Aber Mama, ach arme Mamutschka...


Eike:

Was ist denn mit deiner Mama?


Igor:

(seufzt tief auf russisch)

Ach Mama, warum wolltest du mir das antun? Mir, deinem kleinen Igor Igorewitsch...


Eike:

Was denn?


Ali:

Sie wollte Igor bei der russischen Miliz verpfeifen.


Eike:

Wieso das denn?


Igor:

Wegen Wolodja.


Eike:

Wolodja?


Ali:

Igors kleinem Bruder.


Eike:

Was ist mit ihm?


Ali:

Sag’s ihm, Igor.


Igor:

Er steckt fest.


Eike:

Steckt fest?


Ali:

Im Beton.


Eike:

Im Beton?


Igor:

Bis über Hals. Sehr fest.


Eike:

(düster)

Wie ist denn das passiert?


Igor:

War böse. War sehr böse, der kleine Wolodja.


Eike:

Warum?


Igor:

Wollte Igor nicht Geld zurückzahlen. Obwohl er versprochen hat.


Eike:

Was für Geld?


Ali:

Wolodja hatte bei Igor einen Kredit aufgenommen, um ein Haus zu bauen. Einen Kredit mit monatlicher Ratenzahlung.


Eike:

Und jetzt steckt er im Beton?


Ali:

Im Beton seines neuen Hauses.


Igor:

Bis über Hals. Sehr fest, der Beton in Volossow.

(lehnt sich an Eike)

Ach Mama, Mamutschka...


Eike:

Was ist denn mit der?


Igor:

Steckt neben ihm.


Eike:

Weil sie Igor verpfeifen wollte?


Ali:

Kluger Bursche. Sein Papa auch.


Igor:

Ja, Paputschka..., wollte nicht allein sein. Jetzt ist ganze Familie zusammen.


Eike:

Aber das ist ja kriminell. Das ist ja Selbstjustiz!


Ali:

Kluger Bursche.


Igor:

Weißt du Eike, ist altes Gesetz in Volossow: Zahlst du niemals deine Raten, kommt der Ivan mit dem Spaten.


Ali:

Der Igor auch.


Eike:

Sie meinen, ich soll diese Geschichte quasi als Gleichnis verstehen.


Ali:

Pfiffiges Kerlchen. Kompliment.


Igor:

Sonst wird russisches Märchen auch für Eike wahr.


Ali:

Und zwar morgen, sagt Lisa.


Eike:

Morgen schon?


Ali:

(freundlich, aber bestimmt)

Morgen.


Eike:

Also gut, morgen eine Rate.

(will aufstehen, wird gebremst)


Ali:

(scharf)

Drei, Eike: Mai, Juni, Juli.


Eike:

Also gut, drei.


Ali:

Plus Zinsen. Mai, Juni, Juli.


Igor:

Plus Lapptopp.


Eike:

Laptop?


Igor:

War ein bisschen meiner.


Eike:

Aber der ist doch kaputt.


Igor:

Siehst du.


Ali:

Eike hat verstanden, Igor. Vierundzwanzig Stunden. Alles klar?


Eike:

Alles bestens.

(Igor lässt Eikes Laptop aus dem Fenster fallen)

Warum macht der das?


Igor:

Altes russisches Sprichwort: Wenn Lapptopp fällt, regnet Geld.


Ali:

(blickt aus dem Fenster, zu Igor)

Das geht aber tief runter hier. Bis morgen, Eike.


Igor:

Doswidanja. (beide ab)