LESEPROBE





2. Bild  -  MONOLOG MARCIÁL (1)



Melodram. Es wird Tag. Kein Hahnengeschrei, nur Hundegebell. In der Ecke des Dorfplatzes, neben dem Grabstein hinter der Friedhofsmauer, erwacht eine bucklige Gestalt. Marciál, unser Erzähler. Er spuckt aus, wendet sich dem Publikum zu und spricht frei über die Musik des Eingangschores, der jetzt deutlich leiser geworden ist:


Marciál:

Kennen Sie die größte Hängematte der Welt? ... Nein? Dachte ich mir...

Aber ich kenne sie. Sie heißt Femés. Wo sie ist? ... Na, hier! Träge, verschlafen baumelt sie zwischen Atalaya und Tinazor, schaukelt verlassen in den Winden aus Afrika wie ein leeres Nest, dem die Vögel entflohen sind. Ich sage Ihnen, die Toten sind hier wacher als die Lebenden, und ich spreche da aus Erfahrung. Tagsüber läuft hier nichts, und nachts: Gar nichts! (lacht irre)

Nur eins läuft nachts durch die staubigen Gassen, dieser schwarze Schatten... Wie? Ja, eine Frau ist das. Gut erkannt! Lang und dürr, wie die Insel Lanzarote. Aber die Leute hier, die sagen nicht: Frau. Die sagen Hexe. Und die Weiber, die gaffen durch die Ritzen ihrer Hütte und behaupten, sie hätten sie beim Säugen von Eidechsen beobachtet. Ich kenne sie besser. Ich! Ich allein! Marciál Toledo! ...

Wer ich bin? Die Leute hier sagen, ich bin ein Kamel. Aber haben Sie schon ein Kamel mit einem Höcker gesehen? Wenn schon, dann bin ich ein Dromedar. (lacht wieder) Also, was ist jetzt? Wenn Sie mehr über die Alte erfahren wollen, dann müssen sie mich schon zu einem Glas Wein einladen, aber nur den guten aus Uga, den würzigen, der nach sauren Trauben und nach faulem Holz schmeckt und nach Schildkrötenfurz riecht. Wo’s den gibt? Dumme Frage! Hier, nur hier, bei Isidro.

(Er öffnet die Türen zum Kasino) Hola chicos! Buenas, Compañeros, ihr alten Säufer. (Die Männer ignorieren ihn)

Tja, die hier könnten ihnen auch eine Menge über die Alte erzählen, ein jeder für sich, aber die wollen nicht, die schweigen dazu. Wollen nur saufen und singen

  1. 14.BILD  -  MONOLOG MARCIAL (7)


MELODRAM über CHOR DER ERTRUNKENEN III


Marciál, María, Stimmen (Sopran Solo, Mezzosopran Solo, Damenchor aus dem off)


N°6b    Chor der Ertrunkenen III


Marciál: (spricht über den Chor der ertrunkenen Seelen) Hören Sie dieses Jammern, dieses Seufzen, diese Klagegesänge? Nein? Ich auch nicht. (Er lacht) Niemand hört das. Aber es gibt sie, die Stimmen der toten Seelen, die Stimmen der Ertrunkenen. Sagt Señora Sebastian, die Frau des Bürgermeisters, deren Vater, ein Fischer, bei einem Sturm ins Wasser kippte und fortgespült wurde. Zuweilen kommt wohl seine Seele hier vorbeigeschwommen und plaudert ein wenig mit der Tochter. Wohin? Na hierhin, in die Bucht von Avila. Man braucht nichts zu tun als sich des Nachts auf eine Klippe zu setzen, eine Fackel anzuzünden und abzuwarten. Maria tut das auch, ganze Nächte lang, allein, stumm, regungslos, seit sie aus dem Sanatorium Santa Brigida auf Gran Canaria zurückgekehrt ist. Wir hatten sie nach Velitas gebracht, Pedro, die Bohnenstange und ich: Marciál, der Dorfidiot, das Kamel, der verkrüppeltste Sünder vor dem Herrn, der verhinderte, verantwortungslose Ersatzvater, der im Suff seinen Kleinen den Fluten ausgeliefert hatte...

Sie heulte wie ein Hund in jener Nacht und die Schreie wollten kein Ende nehmen. Jesus-Maria, was stellt der Teufel an, wenn er von uns Besitz ergreift!

(Die Musik stoppt. Szenenwechsel: Wir sehen das Innere des Hauses von Don Ermín)

An Händen und Füßen gefesselt, auf der Ladefläche von Pedro el Geitos Laster, transportierten wir die wahnsinnig um sich tretende, beißende Wilde zu Don Ermín, eigentlich Doktor Fermín Lopez Aguirre, - nicht weil er ein guter Arzt war, sondern der einzige im Umkreis von vierzig Kilometern. Warum sie an ihm Gefallen fand, verstehe ich nicht. Was wollte er hier bei uns, dieser baskische Pillendreher, dieser versoffene Kurpfuscher, der aussieht wie ein Peninsularfrosch mit seinem platt gedrückten Brustkorb, den Stummelarmen, den eimergroßen Pranken und dem aufgedunsenen Bauch!

Ein Fremder, ein Abenteurer aus Guipúzcoa, aus einer alten Seemannsfamilie aus Irun, der von Tahiti träumte, aber in dem lavastaubigen Velitas strandete. Der Quacksalber kümmerte sich um sie - in jeder Hinsicht - gemeinsam mit seiner verschrobenen Nachbarin, Seña Frasca, einer wahrhaftigen alten Jungfer, die das Pech hatte, dass vor vierzig Jahren ihr Bräutigam verstarb, genau in der Hochzeitsnacht, unmittelbar bevor... Sie wissen schon! Aber nun konnte sie Mama spielen für Maria, die lächelnd nach den Beruhigungsspritzen Ermíns wie ein kleines Kind Papierschnipsel zerschnitt und Konfetti regnen ließ. Und sie begleitete sie ins Sanatorium nach Las Palmas. Nach der Heilung war Maria noch schöner als je zuvor, noch geheimnisvoller, wie von einer anderen Welt, mit diesem schwarzen Leuchten in ihren Augen. Ein tiefes, abgrundtiefes Licht, dass die Männer schwindeln ließ...




15. BILD  -  DER TRAGÖDIE ZWEITER TEIL oder: DER FEIGENBAUM IN VELITAS


Maria, Don Ermín, Señora Frasca. Marciál als stummer Beobachter


Im Haus des Doktors. Ein Rollstuhl, in dem die apathische Maria mit Händen und Füßen gefesselt ist, wird von Don Ermín hineingeschoben. Er kühlt ihre Stirn und gibt ihr eine Spritze. Maria beruhigt sich im Laufe der Szene und Don Ermín löst sie von ihren Fesseln. Maria zieht sich aus, wie selbstverständlich, und entkleidet sich vor Don Ermín. Seña Frasca, die sich im gleichen Raum befindet, sieht währenddessen aus dem Fenster und singt ein sentimentales Strophenlied, ohne die Annäherungen Don Ermíns zu bemerken. Im schönsten Moment klopft es und Señora Ermín, die unangekündigt aus Irun dem Ehemann nachgereist war, steht vor der Tür.


N°11    Duett Señora Frasca / Don Ermín


Señora Frasca: Francisca,                     

des stolzen Don Bartolo einziges Kind,     

wunderschön, unschuldig, gazellengleich,

lavaschwarz ihr langes Haar,

war gerade sechzehn Jahr,...


Don Ermín (schiebt Maria im Rollstuhl hinein):

Stumm bist du, doch ein offenes Buch,

schöner als je zuvor,...

stiller Fluch...


Señora Frasca: ...als sie begann,   

die heimliche Liebe zu Juan,

unter dem Feigenbaum auf dem Hügel bei Velitas.


Don Ermín: ...Unergründlich, mannestoll.   

Lächle, rede! Nein, sag nichts!

Frauen, die schweigen, sind das Gold des Mannes, verschlossen und geheimnisvoll...


Señora Frasca: Die Liaison zu Juan,    

dem ärmlichen Knecht,

mager und sehnig wie seine Ziegen,

war dem stolzen Don Bartolo

wohl zu Recht nicht Recht,...


Don Ermín: ...Nimm deine Pillen,    

das beruhigt dich, das beruhigt mich,

bald bist du geheilt durch meine Medizin,...

           

Señora Frasca: Francisca sollte Besseres kriegen,    

unter dem Feigenbaum auf dem Hügel bei Velitas.


Don Ermín: Du meine verschlossene Feigen-   

frucht, ich dein Arzt, dein Pfleger, dein Patron,

ich dein Mann, ich, Don Ermín... (Er bindet sie los)


Señora Frasca: So verbot Don Bartolo    

seiner Tochter die Liebe

zu dem dürren Juan,

und versprach ihr als Bräutigam

einen nobleren Mann...


Don Ermín: ...Öffne dich mir, lass dein verdorbenes Grinsen, Frau!

Was reißt du dir immer die Haare aus!

(Sie zieht sich aus)


Señora Frasca: Er verriegelte die Tür,    

er sperrte sie ein,

und verhinderte das nächtliche Stelldichein,

unter dem Feigenbaum auf dem Hügel bei Velitas.


Don Ermín: Hör auf, dich zu kratzen!

Wenn schon, kratz mich,

und vertrau!   


Señora Frasca: So wartete Juan auf seinen Schatz,   

über Tage, über Wochen am gleichen Platz,

und hoffte und betete und weinte und schrie,

und fluchte und verfluchte und suchte sie...


Don Ermín: Du, meine verschlossene Feigenfrucht, meines Sehnens Sucht,

wie von einer anderen Welt...


Señora Frasca: Vergebens, er blieb allein;    

kein Sonnenschein

unter dem Feigenbaum auf dem Hügel bei Velitas.


Don Ermín: ...Deine Augen,    

ein tiefes, abgrundtiefes Licht.

Verrückt bist du, - Nur einen Kuss! -

ein Rätsel, das ich lösen muss...


Señora Frasca: Eines Nachts riss sie aus,    

entkam dem Gefängnis, schlich hinaus

- Don Bartolo schlief - in aller Stille,

denn die Liebe war stärker als des Vaters Wille.


Don Ermín: ...Ich werde die Siegel    

deines Schweigens brechen,

zum Kern deiner dunklen Seele stechen...


Señora Frasca: Wo war Juan?    

Der Platz schien leer,

Juanito, ihr Schatz, er wartete nicht mehr,

und baumelte still, und ohne Hast,

am einzig starken Ast,

unter dem Feigenbaum auf dem Hügel von Velitas.


Don Ermín: Öffne dich mir,

meine Feigenfrucht,

meines Sehnens Sucht,   

duftende Blüte, öffne mir deinen Schoß...

   

Señora Frasca: So sitzt sie seit Jahren    

in des Vaters Haus,

am Fenster, seelenlos, stumm,

und blickt verloren hinaus,

hinauf auf den Hügel bei Velitas.


Don Ermín: ...Ja, grins doch, kratz mich   

beiß mich, wehr dich!

Ich lasse dich niemals los...


Señora Frasca: Ewiger Traum, ewiges Kind,   

verkrüppelt, verdorrt wie der Feigenbaum,

unter dem einst Juan sich wiegte im Wind.


(gesprochen)           


Don Ermín: (für sich) Wer klopft da? Meine Frau?   

(zu Maria) Lass mich los, Hexe, was ficht dich an?

Was willst du von mir,

was willst du von einem verheirateten Mann?






18. BILD - N°14 ENSEMBLE / FINALE II


Männerchor:    (sich langsam nähernd)

Hier läuten keine Kirchenglocken,

hier kräht nicht mal ein Hahn,

um Euch früh aus den Federn zu locken,

schlagen wir Hunde an.


Frauenchor: Heilige Maria, dich verehren wir!

Sündige Mararía, dich bekehren wir!


Don Abel: Bald wird es Dunkel, ewige Nacht,

kalt sind Reinheit und Tod.

Der Fall der Sünde gewann die Schlacht.

Satan erstrahlt uns im Morgenrot.


Don Sebastian: (präsentiert sich pathetisch im Amt des Bürgermeisters)

Statt mit Gott,

lebst du mit dem Teufel.

Du hast diesen heiligen Ort entweiht,   

Gottes Pflicht erzwingt Enthaltsamkeit.


Isidro:     Ein Priester in wilder Ehe...   


Don Ermín: Gotteslästerliche Häresie!


Delphina: Gotteslästerliche Bigamie!


Trinidad: Kein Respekt vor dem Zölibat!


Don Sebastian: Sowas wie dich, Don Abel, brauchen wir nicht!

Auf des Vaters heiligem Boden begehst du Verrat!       


Delphina: Vergib uns unsere Schuld, Ehrwürdiger Patron...


Alle: ...Verzeih uns, ehrwürdiger San Cristobalón!


Trinidad: Seht nicht stillschweigend zu,...


Delphina: ...wie es unser Pfarrer mit einer Hure treibt!


Don Abel: Wehe dem Land,

wehe dem Meer,

gläubige Christen, grabt euer Grab,

denn viel Zeit verbleibt nicht mehr,   

und Satan’s Luzifer steigt in Euch herab.


Don Sebastian: Schande des Dorfes, Schande der Insel!


Don Ermín: Frömmelnder Fanatiker!


Salvador: Prügelt ihn aus der Sakristei!


Delphina: Kreuzigt den lüsternen Popen...


Don Sebastian: ...auf dem Hügel der Einsiedelei!


Ganzer Chor:     Schande des Dorfes, Schande der Insel!


Salvador: Verreck im Kot deiner mageren Ratten!


Ganzer Chor:     Schandfleck, Schandfleck, Schandfleck!...


Pedro:     Gottloser!


Isidro:     Sittenloser!


Don Sebastian: Verwirrter!


Isidro:     Verirrter!


Delphina: Verderbter!


Trinidad: Verdorbener!


Alle: Lasst uns den Pfaffen exkommunizieren!


Salvador: (packt ihn, flößt ihm gewaltsam Messwein ein)

Er soll an seinen heiligen Reliquien krepieren!


Ganzer Chor:     Schandfleck, Schandfleck, Schandfleck!...


Delphina: Vergib uns unsere Schuld, Ehrwürdiger Patron...


Alle: ...Verzeih uns, ehrwürdiger San Cristobalón!


(Sie prügeln auf Don Abel ein. Er wehrt sich kaum und starrt regungslos auf die Meute)


Don Abel: Tief in der Lavahölle der heiligen Ruinen,

fließt ein roter Strom herauf,

himmelwärts kriechend nimmt er seinen Lauf.

Rote Asche regnet auf die sündigen Häupter,

die allesamt dem Satan dienen.


Delphina: Er soll mit seiner mannstollen Hure krepieren!   


Ganzer Chor:     Lasst uns beide exkommunizieren!


Isidro:     Wo steckt die besessene Mätresse des Popen?


Frauenchor: Wo steckt die versündigte Hexe?


Männerchor:    Wo steckt die männerverschlingende Bestie?


Trinidad: Komm heraus, Rabenmutter!


Delphina: Zeig dich uns, Mörderin deines Kindes!


Ganzer Chor: Schande des Dorfes, Schande der Insel!


Pedro:     Gottlose!


Isidro:     Sittenlose!


Don Sebastian: Verwirrte!


Isidro:     Verirrte!


Don Ermín: Vulgäre!


Delphina: Verderbte!


Trinidad: Verdorbene!


Salvador: Bedienen wir uns der Schlampe!


Herrenchor: Zeig dich deinen Verehrern!

Tu uns den Gefallen!


Frauenchor: Abtrünnige, frivole Kreatur!


Salvador: Dorfhure, mach deine Beine breit!

Mach’s mit uns wie mit allen!


Frauenchor:    Schandfleck, Schandfleck, Schandfleck!


Delphina: Vergib uns unsere Schuld, Ehrwürdiger Patron...


Alle: Verzeih uns, ehrwürdiger San Cristobalón!


Don Sebastian: Wir wollen die Ketzerin exkommunizieren!


Delphina: Sie soll mit dem gotteslästerlichen Pfaffen krepieren!


(Die Meute stürmt zum Eingang der Ruinen. María erscheint in der Tür. Sie trägt eine brennende Kerze in der Hand)


Herrenchor: Wir lechzen nach Fleisch,

wir bellen nicht, wir beißen.

Wir heulen vor Geilheit wie hungrige Kojoten.

Und um in fremden Betten

die Beute zu reißen,

schleichen wir des Nachts auf samtenen Pfoten!


Frauenchor: Heilige María, dich verehren wir!           

Sündige Mararía, dich bekehren wir!


Delphina: Was will sie mit der Kerze?


Trinidad: Was will sie mit dem heiligen Licht?


Pedro: Sucht sie den richtigen Weg?


Isidro: Jungfräuliches Antlitz im Kerzenschein!...


Pedro:     Gottesleugnerin! Sakrileg!


Don Sebastian: ...erstrahlt sie im flammenden Schrein...


(Mararía setzt mit der Kerze ihr Gewand in Brand. Wortlos geht sie in Flammen auf.)       


Delphina: (ergriffen) Vergib ihr ihre Schuld, Ehrwürdiger Patron...


Alle: ...Verzeih ihr, ehrwürdiger San Cristobalón!


Don Abel: (wie eine große Anklage)

In der Flammenhölle San Cristobalón,

da fand sie ihr ewiges Grab.

Ein Engel fährt zum Himmel hinauf,

Die geifernde Meute

brach den heiligen Stab,

der Ehrwürdige Vater nahm

die Abtrünnige auf.


Frauenchor:    Heilige María,

dich verehren wir!

Sündige Mararía, dich bekehren wir!


Don Abel: Nun ist es Dunkel, ewige Nacht,

kalt sind Reinheit und Tod.

Der Fall der Sünde gewann die Schlacht.

Satan erstrahlt uns im Morgenrot.


Alle: Mara-, Mara-, Mararía!...


Delphina: Vergib ihre Schuld,

Ehrwürdiger Patron...


Alle: ...im Sündenfall von San Cristobalón!




19. BILD  -  MONOLOG MARCIÁL (9)


Marciál, Stimmen der Maria (Sopran, Mezzo).


Melodram. Glockenläuten und Hundegebell in Femés. Marciál trägt die tote Maria auf seinen Schultern und schlägt den Weg zum Friedhof ein. Der Tag dämmert, als er Femés erreicht.


N°8a    Schlaflied (instrumental)


Marciál: (singt schmerzhaft, mehrfach wiederholend) Flieg, Maria, flieg mit dem  Wind, die ewige Dunkelheit, sie kommt bestimmt...(sprechend, immer noch Maria auf den Schultern). Los, komm schon, lass uns gehen, Maria, es ist halb sieben... Woher ich das weiß? Sieh mal den Schatten, den die Palme auf den Tinazor wirft. Bald versinkt die Sonne im Meer. Gib mir deine Hand... Deine Hand. Maria, warum bist du so kalt? ‚Feuer entspringt Feuer’, sagt Don Abel, aber deine Augen, die sind verglüht, in ihnen der letzte Funke verloschen...

Ich weiß, es war nicht das Feuer, es war das Herz. Aber ich hatte mich so beeilt. Von Don Cristobalón nach Femés den ganzen Weg zu Fuß, um dort Pedros Laster zu nehmen. Er wollte erst nicht, der feige Hund, er sagte, du seist verflucht. Dann habe ich ihn getreten, geschlagen, gebissen, gekratzt und so fuhr er mich nach Velitas zu Fermín Aguirre.

Ich weiß, es war nicht das Feuer, es war das Herz. Der dreckige Kerl lag in einer Lache voll Wein. Mit einem Eimer Wasser habe ich ihn wiedererweckt und auf die Ladefläche geworfen. ‚Wir kommen zu spät’, sagt der versoffene Arzt, als er deine Wunden sah, du seist verbrannt, verdorrt bis unter die Haut.

Aber ich weiß, es war nicht das Feuer, es war das Herz.

Es war der Fötus, diese winzige Kreatur, nicht mal so groß wie eine Ratte und keine drei Monate in deinem Bauch. Ein Kindchen, das Du nicht mehr bei dir tragen wolltest, und das Ermín zwischen seinen Händen zerdrückte, - verstehst du, seinen eigenen Sohn!

(Er weint) Maria, jetzt musst du nicht mehr weinen, jetzt bringe ich dich heim. Jetzt kommst du zu mir, zu Marciál, deinem Vater, deinem Bruder, deinem Mann..., in meinen Salon, hinter der Friedhofsmauer, bei der Opuntie, unter dem Himmel, dem niedrigsten Dach der Welt. Es gibt keinen besseren Platz...

(singt weiter)Flieg, Mararía, flieg mit dem Wind, die ewige Dunkelheit, sie kommt bestimmt...


M a r a r í a

Oratorium in 19 Szenen

für 10 Darsteller und (Kammer-) Chor


Musik:  Laura Vega

Text & Idee: Uwe Schwarz


nach der gleichnamigen Novelle von

Rafael Arozarena